Album der Woche: «Human Futures» von Dear Nora
«Human Futures» von Dear Nora
Es ist nicht so, dass Dear Nora nichts zu sagen hätte. Aber Katy Davidson ist mit ihrem langjähren Projekt inzwischen an einem besonderen Punkt angelangt. Nach ein paar Alben am Rande der Nullerjahren-Indie-Szene, die ihr nachträglich Kultstatus einbrachten, reaktivierte sie ihr einstiges Projekt unter neuem Vorzeichen und – das zeigt insbesondere das inzwischen zweite Album der ’neuen› Dear Nora – einer neun Ausrichtung, die quer steht zur eigentlichen Grundidee des Pop: Sie sucht kein Publikum mehr. Dementsprechend ist ihr neues Album Human Futures weder ihr schönstes noch ihr interessantestes Album, sicher aber ihr mutigstes. Ohne je direkt konfrontativ zu sein, bleibt die Musik unterschwellig ungemütlich und mit den meisten Algorithmen wohl inkompatibel. Die Produktion sträubt sich gegen jeden Vibe, der droht, sich breitzumachen und Katy bewahrt mit der Stimme ein undurchschaubares Poker face, ohne dass sie dabei je allzu cool wirken würde. Es ist das perfekte Register für eine Reihe von Liedern, in denen eine gleichermassen von Entfremdung und Nähe geprägte Gegenwart seziert wird, mit unaufgeregten Beobachtungen und kurzen Erzählungen, die immer abbrechen, bevor sie prägnant werden. Die Schlüsse daraus zu ziehen und mit den Abgründen fertig zu werden, die sich spaltenweise auftun, bleibt dem Publikum überlassen – falls überhaupt jemand zuhört.
Ausgewählt von Simeon Thompson