Album der Woche: «The Waeve» von The Waeve
«The Waeve» von The Waeve
Schon auf dem Höhepunkt der Brit-Pop- Bewegung in den 1990er Jahren wurde Blur von Kritikern und Fans zugleich gewissermassen in die «artistischere» Ecke des Genres verortet. So prätentiös diese Einschätzung auch klingen mag, lässt sich darin insofern zumindest eine gewisse Wahrheit finden, als dass es der Londoner Band – im Gegensatz zu ihren Erzfeinden aus Manchester – selten an klanglicher Experimentierfreudigkeit fehlte. Wenn Frontmann Damon Albarn diesen kreativen Geist der Gruppe in den 2000ern mit seinen Gorillaz fortsetzte, so gelang es Gitarrist Graham Coxon ganze acht Solo- Alben lang (inklusive Filmsoundtracks) zu beweisen, dass sein künstlerisches Erbe später vielleicht mit mehr als nur seinem Gitarrenheldentum in Verbindung gebracht werden würde. Nun meldet sich Coxon das erste Mal seit 2021 wieder zurück, und zwar nicht Solo, sondern im Tandem mit seiner Lebenspartnerin, Singer-Songwriterin Rose Elinor Dougall (ehemals The Pipettes). Zusammen bilden sie das Duo The Waeve und schaffen auf ihrem gleichnamigen Album einen Sound, der sich irgendwo zwischen Post-Punk, Chamber Pop und Folk Rock einordnen lässt. Es wird schnell erkennbar, dass Dougall mindestens so stark – wenn nicht sogar stärker – im Songwriting- und Produktionsprozess eingebunden ist: Der Legendenstatus von Graham Coxon bleibt hier stets sekundär – auf «Blurige» Gitarrenriffs braucht man also nicht zu hoffen. Deutlich entscheidender ist der fruchtbare kollaborative Geist des Duos, welcher beiden Musiker:innen den Eingang in neues klangliches Territorium ermöglicht, das sie im Alleingang wohl nie hätten erreichen können. Ein spannendes und gelungenes Aufeinandertreffen zweier Künstler:innen, die trotz jeweils unterschiedlichsten Karriereverläufen zueinander gefunden haben.
Ausgewählt von Jeremy Tanner